
Der
Antrag
Der folgende Antrag wurde für den Bundesparteitag der FDP am 19. September 2020 eingereicht. Da aus Zeitgründen nur 3 der 47 Anträge behandelt werden konnten, wird das weitere Vorgehen der verbleibenden 44 Anträge durch den Bundesvorstand entschieden.
Projektantrag
„Denken wir gross“
Der Bundesvorstand wird beauftragt, eine Projektgruppe „Denken wir groß“ zu initiieren und die Teilnehmer zu bestimmen. Aufgabe der Projektgruppe ist es, mit den Parteigliederungen eine Reformagenda in allen Politikbereichen zu erarbeiten und damit eine neue Vision für Deutschland zu entwickeln.
Begründung
Die FDP und die deutsche Politik brauchen eine Neuausrichtung. Die Welt dreht sich immer schneller, aber die deutsche Politik hält mit dem Tempo nicht Schritt. So hilfreich die ruhige Hand im Kanzleramt in der Außenpolitik war, so fatal wirkt sie sich in der Innenpolitik aus. Die Stimmen der Extremisten finden Gehör, weil die demokratische Mitte ihre Hausaufgaben nicht macht. Wie auch immer die nächste Bundestagswahl ausgehen wird, wir sind nicht vorbereitet.
Die FDP ist die Reformpartei in Deutschland.
Und diesem Anspruch muss sie gerecht werden.
Die FDP war die erste Partei, die vor einem halben Jahrhundert den Umweltschutz auf die politische Agenda gesetzt hat. Leider haben wir das Thema nicht konsequent weiterverfolgt.
Die FDP war die erste Partei, die 1994 das Bürgergeld in ihr Wahlprogramm aufgenommen hat. Bis heute ist es uns nicht gelungen, das Bürgergeld in Regierungshandeln umzusetzen. Die hilfesuchenden Menschen sind von dem sozialbürokratischen Irrgarten überfordert, aber wir kommentieren dies lediglich von den besseren Zuschauerplätzen aus. Als die SPD 2018 begann, das Thema Bürgergeld zu entdecken, hat der Bundesvorstand nur mit allgemeiner Abwehrrhetorik reagiert. Stattdessen hätten wir dies als Einstieg in die Debatte um eine gemeinsame Erneuerung der Sozialpolitik aufgreifen müssen.
Die FDP war die erste Partei, die das höchst komplizierte Steuersystem grundlegend bis zu einem neuen Einkommenssteuergesetz überarbeitet hat. Vor etwa 20 Jahren hatte die FDP mit Union und Grünen, sowie Wissenschaft und Wirtschaft eine starke Mehrheit für eine Kernsanierung des Systems. Wir sind dann leider in Diskussionen über Steuersätze und Ministerposten vom Kurs abgekommen.
Nach der Niederlage 2013 hat uns der Mut verlassen. Statt groß zu denken und noch entschlossener zu handeln, verlieren wir uns im Twitter-Klein-Klein. Die FDP ist nicht wegen ihrer Inhalte abgewählt worden, sondern weil sie diese nicht realisieren konnte. Das alte Modell der FDP, ihre Themen als Königsmacher in Koalitionsverhandlungen durchzusetzen, ist nicht mehr tragfähig. Sowohl 2009, als auch 2017 sind wir damit gescheitert.
Es geht in einer dem Land dienlichen Politik nicht vorrangig um klare Kante und scharfe Worte, nicht um Abgrenzung und Ausgrenzung. Die FDP war immer dann stark, wenn sie sich einer gewissenhaften Programmatik gewidmet hat. Die Freiburger Thesen von 1971, die Kieler Thesen von 1977 und die vor rund zwei bis drei Dekaden entwickelte Reformagenda bleiben die liberalen Leuchttürme, die Maßstäbe gesetzt haben.
Die zukünftige Aufgabe der FDP in der politischen Mitte wird es sein, die Kräfte der Demokratie zu integrieren und zu bündeln. Die FDP muss eine neue Rolle in der Politik übernehmen – vom Königsmacher zum Koalitionsmacher, vom Mahner zum Moderator. Die deutsche Politik muss die mehr als überfälligen Reformen gemeinschaftlich anpacken. Der FDP kommt hierbei eine neue Rolle als Integrator zu.
Dazu erarbeitet die FDP grundlegende Konzepte in allen Politikfeldern und entwickelt eine neue Vision für Deutschland. Die Messlatte ist das liberale Steuerkonzept mit dem fertigen Gesetzestext.
